EL OLIVO – DER OLIVENBAUM / Info / Produktionsnotizen

Produktionsnotizen
El Olivo – Icíar Bollaín
Entstehung

Den ersten Anstoß zu „El Olivo“ gab eine Zeitungsmeldung über den Verkauf uralter Olivenbäume aus dem Bajo Maestrazgo, im Grenzgebiet zwischen Valencia und Katalonien. „Es ist oft so, dass man interessanten Ideen begegnet, in denen man die Möglichkeiten zu einer Geschichte sieht“, erzählt Paul Laverty, „aber hier gab es etwas, was mich nicht mehr losließ. Ich sprach mit Icíar darüber, und wir nahmen uns vor, in diese Region zu fahren und uns das anzuschauen.“

Als Paul Laverty und Icíar Bollaín die Reise ins Maestrazgo zu den „Milenarios“, den über tausendjährigen Olivenbäumen unternahmen, waren beide zutiefst beeindruckt. „Einige der ältesten Bäume sahen aus wie aus Stein gemacht, wie von Wind und Zeit geformte Skulpturen“, erinnert sich Paul Laverty. „Aber was mich vielleicht am meisten beeindruckte, war zu denken, dass diese Olivenbäume in der Zeit von Jesus Christus gepflanzt worden waren. Und die Vorstellung, dass plötzlich jemand kommt, der mit einem Schlag zweitausend Jahre einkaufen, herausreißen und sie mit sich nehmen will, war etwas, was mich sehr traf.“

„Es war eine unglaubliche Erfahrung, diese uralten Bäume zu sehen und zu spüren, was sie bedeuten“, sagt Icíar Bollaín. „Sie sind wie lebende Landkarten. Jeder Baum hat seine Persönlichkeit, seine eigene Schönheit. Es geht dabei nicht nur um Naturdenkmäler, um ein Landschaftserbe, sondern um eine ganze Kultur. Wir haben uns auf dieser Reise sehr verliebt, in die Gegend, in ihre Geschichte, in die Leute dort.“

»Mit dem Verkauf der Bäume geht eine Form des Lebens verloren, wir verlieren ein einzigartiges Erbe. Aber man kann niemandem allein die Schuld daran geben, am wenigsten denen, die dort leben. Die Arbeit in den Oliven ist sehr hart. Und es kann nicht sein, dass nur sie dafür kämpfen, dass dieser Reichtum nicht verloren geht und aufgegeben wird.« Icíar Bollaín

„Die Frage war, wie wir mit diesen wunderbaren Biestern eine einfache, kleine Geschichte erzählen können“, erinnert sich Paul Laverty. „Das alles ist vor allem in den Jahren des Booms passiert. Die Bäume wurden für Edelrestaurants gekauft, für Privatgärten, für Banken. Wenn wir mit den Leuten sprachen, war oft eine tiefe Traurigkeit zu spüren. Einer der Olivenbauern wollte gar nicht darüber reden, aber man spürte in seinem Blick den Schmerz darüber, dass er den Baum verkauft hatte. Diese Erfahrungen gaben mir den Mut, die Figur von Ramón zu entwickeln, des Großvaters im Film – in gewisser Hinsicht ist er jenem wortkargen Mann nachempfunden, den wir damals getroffen haben. Und so begann die Idee, Schritt für Schritt zu einer Geschichte zu wachsen.“

»Die Geschichten von Paul könnte ich so nie schreiben, sie würden mir so nie einfallen, auch wenn ich später in der Lage bin, sie zu meinen eigenen zu machen. Er nimmt mich an Orte mit, an die ich nicht gegangen wäre, und er schafft Charaktere, die sehr besonders sind. Wir haben bei diesem Film erlebt, wie sehr er die Leute berührt, die vom Land kommen, die eine Verbindung zur Erde haben... vielleicht gibt es da eine Parallele zu den irischen Wurzeln von Paul.« Icíar Bollaín

BOOM UND KRISE

Nach den Jahren des scheinbar grenzenlosen Booms vor allem im Bausektor, mit billigen Krediten für jedermann, bei steigender Korruption und Vetternwirtschaft, platzte 2007 in Spanien die Immobilienblase. Das Land geriet in eine brutale Rezession, von der es sich bis heute nicht erholt hat. „Was wir in unserem Film sehen“, sagt Icíar Bollaín, „ist die Folge von Boom und Krise. Aber es ist kein Film über die Krise. Es ist ein Film über Menschen und ihre Schicksale.“

»Wir haben uns gefragt, wie ein Zwanzigjähriger heute in Spanien lebt. Wie geht es den jungen Leute heute, wie sind sie, angesichts des kompletten Fehlens von Möglichkeiten, der Korruption, des Misstrauens in die Institutionen? Wie sehen junge Erwachsene, die seit ihrer späten Kindheit nur die Krise kennen, ihre Eltern, unsere Regierung, unsere Repräsentanten? Was sehen sie, wenn sie in die Zukunft schauen? Die Krise hat ein Gefühl des Scheiterns hinterlassen, das nirgendwohin führt. Man muss etwas Neues beginnen.« Icíar Bollaín

ALMA

„Für diese Geschichte brauchte es eine sehr besondere Protagonistin, mit großer Energie, mit Idealen“, sagt Paul Laverty. „Ich kann nicht mehr genau sagen, wie die Figur der Alma entstanden ist – ich dachte, dass sie etwas sehr Intensives haben müsse, dass sie sich mit einem großen Schmerz herumschlagen, dass sie sich mit ihrem Vater nicht gut verstehen würde. Dass ihre Liebe sich ganz auf ihren Großvater richtet, der sich immer um sie gekümmert hat. Sie hat viel Zeit mit ihm bei den Olivenbäumen verbracht, ihre besten Kindheitserinnerungen sind damit verbunden, besonders mit diesem einen Baum, der für beide eine besondere Bedeutung hat.“

»Ich habe nicht bewusst erlebt, wie es vor der Krise war. Ich erlebe eine große Frustration – und gleichzeitig einen großen Kampf, eine große Lust, die Dinge zu verändern. Vielleicht bin ich illusorisch, aber ich glaube, dass sich die Dinge verändern werden, sehr langsam, aber ich sehe diese Lust. Und gleichzeitig denke ich: Scheiße, in was für einem Land müssen wir jetzt leben! Das ist das, was Alma sagt: „Habt ihr uns das allen Ernstes so hinterlassen? Irgendjemand muss das in Ordnung bringen!« Anna Castillo

Die Casterin Mireia Juárez suchte über mehrere Monate nach der Besetzung der Alma, bis die Wahl schließlich auf Anna Castillo fiel. „Alma ist eine junge Frau im Krieg mit der ganzen Welt, und gleichzeitig unendlich liebevoll mit ihrem Großvater“, sagt Icíar Bollaín. „Wir brauchten eine sehr junge Schauspielerin, aber mit dem nötigen Charisma, um das Gewicht eines ganzen Films auf ihren Schultern zu tragen. Anna hat das alles vereinigt, Stärke und Sanftheit, Frechheit und Aggressivität, Mut und Verletzlichkeit. Sie hat eine unglaubliche Fähigkeit, zu ihrer Figur zu werden – ich habe nie gesehen, dass sie ‚spielen’ würde. Sie ist eine Schauspielerin, die beides hat, viel Intelligenz und viel Intuition.“

El Olivo – Alma Icíar Bollaín

»Alma ist stark, zerbrechlich, zart und heftig bis zur Selbstzerstörung, und sie ist angetrieben von dem Wunsch, alles für den Menschen zu tun, den sie am meisten liebt. Eine junge Frau, die entschlossen ist, den Gang der Dinge zu verändern – oder es wenigstens zu versuchen. So entschlossen, dass sie sogar ihre engsten und liebsten Freunde hinters Licht führt und sie in eine absurde, Don-Quijote-hafte Reise verwickelt. Entgegen aller Logik hat Alma das Gefühl, dass ihr Olivenbaum alles verändern kann.« Icíar Bollaín

„Alma ist ganz anders als ich“, sagt Anna Castillo. „Aber als ich das Buch gelesen hatte, war ich sehr begeistert von ihr. Sie ist eine Frau, zu der man eine Verbindung hat, auch wenn man nicht weiß, warum. Ich habe viel mit Icíar gesprochen, um diese Figur zu begreifen. Alma ist vor allem eine Kämpferin. Auch wenn sie sehr verletzlich ist, auch wenn sie emotional ein bisschen verloren ist, hat sie eine große Kraft. Sie ist in vielem sehr introvertiert, sie behält das Wichtigste für sich, was einen großen Unterschied zu mir darstellt – und gleichzeitig ist sie so unglaublich mutig und kämpferisch, dass ich eine große Bewunderung für sie habe.“

ALCACHOFA

Almas Onkel, von allen Alcachofa („Artischocke“) gerufen, ist ein besonderer Typ. In den Zeiten des Booms stolzer und hart arbeitender Besitzer von fünf LKWs, rechnet er jetzt als Fahrer von Job zu Job, um seine Schulden abzubezahlen – auch wenn ihm selbst noch etliche Leute viel Geld aus den goldenen Zeiten schuldig sind. Javier Gutiérrez, der schon lange vor seinem Goya-Triumph mit „La Isla Mínima“ zur ersten Garde spanischer Schauspieler zählte, war für Icíar Bollaín eine Wunschbesetzung. „Ich habe seinen Weg verfolgt, seit er bei Animalario auf der Bühne stand. Was mich begeistert, ist seine unglaubliche schauspielerische Bandbreite vom Drama bis zur Komödie, die aber immer aus einer großen Wahrhaftigkeit kommt. Das Erste, was er mich fragte, war: Die Figur hat viel Komödiantisches, aber sie ist ernst, oder? Ich soll sie doch ernst spielen?... Der Alcachofa will nicht komisch sein, er will ernstgenommen werden, und das macht ihn komisch. Javier Gutiérrez ist in der Lage, einen in einer einzigen Szene weinen und lachen zu machen, mit einer atemberaubenden Intensität.“

»Es gibt viele Alcachofas in Spanien, und es gibt sie in Griechenland, in Italien, Portugal, Irland... Das sind Leute, die während des Booms hart gearbeitet haben und nun plötzlich vor dem Nichts stehen. Maurer, die Bauherren geworden sind – und dann platzt die Blase, sie sind in die Falle gefangen. Es sind die Alcachofas, die die zerbrochenenen Teller bezahlen müssen. Alcachofa ist ein Mann mit einem großen Herzen, der mit dem Gefühl lebt, betrogen worden zu sein, und mit einer Ahnung von eigener Schuld.« Icíar Bollaín

El Olivo – Alcachofa

Gutiérrez zögerte keinen Moment, die Rolle anzunehmen – trotz seiner Olivenallergie. „Es ist der richtige Zeitpunkt in Spanien, um diese Geschichte zu erzählen“, sagt Gutiérrez. „Wie wir das Wertvollste aufs Spiel setzen, was wir haben, die einen aus Gier, die anderen aus Not. Der Film ist voller Menschen, die viel verloren haben – und trotzdem voller Leben und Hoffnung, voller absurder Träume. Er hat mit dem Moment zu tun, den unser Land erlebt, mit einer Flucht nach vorne, dem Versuch, die Dinge zu verändern, mit einer persönlichen Revolution, jeder aus seinem eigenen Schützengraben.“

El Olivo – Rafa

RAFA

Hat die Figur der Alma einiges von Don Quijote, dann wird sie im Film gleich von zwei Sancho Pansas begleitet: Von Alcachofa, ihrem Onkel, und Rafa, dem geduldigen, still verliebten Kollegen, dem im Verlauf der Reise dann doch der Kragen platzt. Pep Ambròs, renommierter katalanischer Theaterschauspieler, spielt in „El Olivo“ seine erste Kinorolle. „Ein Film von Icíar mit einem Drehbuch von Paul Laverty ist Grund genug, sich kopfüber in die Arbeit zu stürzen. Ich hatte schon lange Lust, Kino zu machen, und mit diesen beiden anzufangen, war der Wahnsinn“, sagt Pep Ambròs.

»Der Humor war uns in dieser Geschichte sehr wichtig. Das war die große Herausforderung bei diesem Film, mit diesem Thema. Wir wollten, dass der Film Humor hat. Nicht nur in der Figur des Alcachofas, den Javier Gutiérrez spielt, auch in den anderen Figuren.« Icíar Bollaín

„Pep war wirklich phänomenal“, erzählt Icíar Bollaín. „Die Art, wie man auf der Bühne spielt, ist sehr verschieden von der im Film. Da geht es manchmal nur um einen Blick, um eine kleine Bewegung, man spricht nicht zum großen Saal, sondern zu einem Gegenüber ... Und Pep hat das sofort gelernt, er hat das sofort verinnerlicht.“

FAMILIENBANDE

Die Rückblenden mit Alma als Kind und ihrem Großvater Ramón bilden das emotionale Herz des Films. Beide Rollen besetzte Icíar Bollaín mit nicht-professionellen Schauspielern. „Ich hatte es nie ausgeschlossen, einen professionellen Schauspieler für Ramón zu nehmen “, sagt sie. „Aber ich wollte zuerst versuchen, jemanden zu finden, der wie die Filmfigur sein ganzes Leben auf dem Feld gearbeitet hat. Diese Arbeit unter der Sonne hat sich in sein Gesicht, seine Hände, seine Haut, seine Bewegungen eingegraben – das ist etwas, was man nicht spielen kann.“

Über Monate fuhr die Casterin Mireia Juárez in die Dörfer des Bajo Maestrazgo, bis sie schließlich auf Manuel Cucala stieß, der alles mitbrachte, was es für die Rolle brauchte: „Genau wie Almas Großvater arbeitet er in den Olivenhainen. Er ist wie eine Eiche, dabei äußerst rüstig, er klettert auf die Olivenbäume wie ein kleiner Junge – ganz abgesehen davon, dass er ein bezaubernder und optimistischer Mensch ist.“ Auf ähnliche Weise wurde Inés gefunden, die die Alma als Kind spielt.

»Ich habe Manuel nie das ganze Drehbuch gegeben. Die Arbeit am Set war ein bisschen so, wie ich sie mit Kindern mache. Wenn man den Kindern das Drehbuch gibt, bereiten sie sich zuhause mit Unterstützung der Eltern und in bester Absicht vor, aber wenn sie zum Drehen kommen, klingt der Text dann oft wie ein aufgesagtes Schulgedicht. Deshalb erzähle ich ihnen erst am Drehtag, was in der Szene passieren wird und was sie zu sagen haben. So habe ich es auch mit Manuel gemacht – und es hat perfekt funktioniert.« Icíar Bollaín

Beim Drehen übertraf Manuel Cucala alle Erwartungen. „Bei den Improvisationen im Casting bekommt man eine Idee“, sagt Icíar Bollaín, „aber die Frage ist, ob ein nichtprofessioneller Schauspieler das beim Drehen dann umsetzen kann, mit 40 Leuten am Set, mit dem ganzen Apparat, mit den Wiederholungen der Szenen. Manuel hatte damit überhaupt kein Problem, er fühlte sich wohl vor der Kamera und ging ganz in der Szene und seiner Figur auf. Es fiel ihm leicht, sich mit seiner Figur zu identifizieren. Die Szene, in der die Familie ihn dazu bringen will, den Olivenbaum zu verkaufen, ging ihm sehr nahe – er hat selber einen Milenario, von dem er sich nie trennen würde.“

»Wenn man in der Region unterwegs ist und sich die Bäume genau ansieht, kann man Gesichter in ihnen entdecken. Bei Canet gab es einen wunderschönen Baum, mit dem Gesicht eines Löwen. Ich sah diesen Baum und dachte, dass kein Kind einen solchen Baum jemals vergessen würde.« Paul Laverty

Am Ende stellte sich heraus, dass „El Olivo“ nicht die erste Filmerfahrung von Manuel Cucala war. „Während wir uns unterhielten, zog Manuel plötzlich ein altes Schwarzweiß-Foto aus der Brieftasche“, erinnert sich der Produzent Juan Gordon, „auf dem er in römischer Tracht zu sehen war. Er hatte als Statist in den 60er Jahren – Ironie des Lebens – bei Anthony Manns ‚Der Untergang des Römischen Reiches’ mitgespielt, der in der Gegend gedreht worden war.“

El Olivo – Olivenbaum

DER OLIVENBAUM

Bei der Visualisierung des Olivenbaums ging es zunächst darum, sich für eine bestimmte Art der Umsetzung zu entscheiden. „Wir fingen mit Skizzen und Entwürfen an“, erinnert sich die Szenenbildnern Laia Colet, „irgendwo zwischen Fantasie und Realität. Aber dann entschieden wir, dass wir einen wirklichen Baum als Modell nehmen wollten.“ Laia Colet sah sich Hunderte von Bäumen in der Region an und präsentierte Icíar Bollaín schließlich eine erste Auswahl. „Der Olivenbaum ist eine eigene Figur im Film, er musste ein besonderes Charisma haben“, erzählt Icíar Bollaín. „Es erschien uns sehr schwierig, einen einzigen der wunderbaren Bäume, die wir uns angesehen hatten, auszuwählen – bis wir zu unserem Baum kamen.“

Den Olivenbaum mit einem Stamm von über acht Metern Umfang fanden Icíar Bollaín und Laia Colet in Canet lo Roig, einem Ort, der mehr Milenarios als Einwohner zählt. „Mir ist das Herz stehen geblieben, als ich den Baum sah“ sagt Icíar Bollaín. „Der Baum vermittelt einem wirklich ein Gefühl für die Dimension der Zeit. Und dann ist etwas Unglaubliches passiert. Im Drehbuch hatte Paul den Baum so beschrieben, dass man einen Drachen im Stamm erkennen würde. Wir hatten uns den Baum zweimal angesehen und uns schon überlegt, wie man den Drachen hineinmodellieren könnte, bis ich beim dritten Mal plötzlich das Gesicht des Monsters entdeckte. Das war wie ein Schock. Auf einmal war alles da. Der Drache war jetzt ein Monster, ohne jedes Zutun von uns.“

Für die Dreharbeiten war der wirkliche Baum allerdings nur bedingt geeignet. „Wenn man einen Film macht, in dem es um den Verkauf von Olivenbäumen geht“, sagt Juan Gordon, „stellt sich die Frage, wie man die Szene drehen soll, in der der Olivenbaum herausgerissen wird, ohne sich unglaubwürdig zu machen.“ Die Lösung bestand darin, ein exaktes Double des Olivenbaums für den Dreh herzustellen. „Wir haben überlegt, wie wir diesen sehr komplexen Dreh mit dem Baum technisch lösen können“, erzählt Laia Colet. „Wir zeigen im Film, wie seine Äste abgesägt werden, wie er herausgerissen wird. Man musste auf ihn klettern können, man musste ihn auseinanderbauen, transportieren und am neuen Drehort in Deutschland noch einmal aufbauen können.“

»Icíar weiß in jedem Moment sehr genau, was sie will. Sie gibt einem den Raum und die Zeit, um das solange auszuprobieren, bis man an den Punkt kommt, der gebraucht wird. Sie gibt wenig Anweisungen, lieber macht sie die Szene noch einmal. Was sie will, ist, dass die Dialoge spontan und lebendig sind.« Pep Ambròs

Die Herstellung des Doubles nahm sechs Wochen in Anspruch. Im Inneren hat das Modell ein Eisengestänge, für die Außenhaut wurden vom wirklichen Olivenbaum Stück für Stück exakte Abdrücke abgenommen, aus der die Negativform für das Baumdouble entstand. Auch die Zweige mussten künstlich hergestellt und bemalt werden, da vom Ast getrennte Olivenzweige innerhalb von zwei Tagen vertrocknen und den Anforderungen des Drehs vor allem in Deutschland nicht gewachsen gewesen wären.

El Olivo – Olivenhain

BAJO MAESTRAZGO

Gedreht wurde „El Olivo“ in Sant Mateu, einem kleinen Ort im Bajo Maestrazgo, 20 Kilometer von der Küste entfernt und ebenso wie das benachbarte Canet Heimat unzähliger Milenarios. „Das ist eine Landschaft mit vielen Kontrasten, Hinterland und Küste, mit unbesiedelten Landstrichen, mit Agrarflächen und industrialisierten Zonen, irgendwo zwischen Gegenwart und Vergangenheit“, erzählt Icíar Bollaín. „Es ist auch eine Landschaft der Töne. Das Geräusch des Windes in den Bäumen oder das Zirpen der Vögel, und daneben der Straßenlärm oder das unablässige Gegacker der Hühner in den riesiegen Geflügelfarmen.“

Diese Kontraste reflektierten für Icíar Bollaín die Kontraste, um die es im Film geht. Mit dem Kameramann Sergi Gallardo arbeitete sie bei „El Olivo“ zum ersten Mal zusammen. „Sergi hat mit seinen Bildern eine große Frische und Schönheit geschaffen. Wir haben versucht, die Schönheit der Olivenbäume zu zeigen, die tiefe und persönliche Verbindung zur Natur, die Ramón und Alma haben und die wir vor allem in den Rückblenden kennenlernen. Aber ich wollte auch das trennende Element in dieser Landschaft zeigen, die Verheerungen, die der Baumboom in der wunderschönen Küstenlandschaft hinterlassen hat oder das schockierende Bild der alten Olivenbäume, wie sie verstümmelt in riesigen Töpfen zum Verkauf ausgestellt werden.“

Die reale Umgebung des Bajo Maestrazgo bildet so die Umgebung einer Geschichte, von der Icíar Bollain sagt, dass sie im Grunde ein modernes Märchen sei. „Das hat es uns erlaubt, auch mit der filmischen Ästhetik zu spielen und Licht und Farbe in der Bildgestaltung, dem Szenenbild oder den Kostümen zu nutzen, um die Kontraste zu schärfen, um die es in dem Film geht. Der Kontrast zwischen Almas lebenshungrigem Rhythmus und Ramons langsamen, fast stillstehenden Bewegungen am Ende seines Lebens; das mediterrane Licht von Sant Mateu und später das ganz andere Licht im Norden Europas.“

DEUTSCHLAND

Bei der Entwicklung des Drehbuchs stellte sich die Frage, wohin der Olivenbaum eigentlich verkauft worden sei. „Das hätte auch ein Ort in Spanien sein können“, erinnert sich Paul Laverty, „die Banco Santander in Spanien zum Beispiel hat Hunderte solcher Bäume gekauft. Aber am Ende dachten wir, dass es um ein anderes Land gehen müsse, dass die Reise dorthin mit Schwierigkeiten verbunden sein müsse.“

„Deutschland erschien uns weit genug entfernt, mit einem ausreichend kühlen Klima, damit der Olivenbaum dort komplett deplatziert erscheinen würde“, sagt Icíar Bollaín. „Und es ist das ökonomische Zentrum Europas, es ist das Land, das unsere Wirtschaftspolitik maßgeblich bestimmt.“ Die Filmgeschichte führte so zu einer originären spanisch-deutschen Koproduktion, mit Drehs in Düsseldorf und Gelsenkirchen. Deutscher Koproduktionspartner waren Viola Fügen und Michael Weber von Match Factory Productions.

Um einen Eindruck von der Reise quer durch Europa zu bekommen, fuhren Icíar Bollaín, Paul Laverty und Juan Gordon vor dem Dreh mit einem LKW nach Deutschland mit. „Ich glaube, dass uns diese Reise sehr geholfen hat zu verstehen, was unsere Protagonisten erleben“, sagt Juan Gordon. „Das war vor allem für Paul wichtig, in der Entwicklung der Geschichte, und für Icíar, um sich das vorzustellen und einen Eindruck von den Locations zu bekommen.“

»Icíar war gegenüber allem, was wir eingebracht haben, sehr offen – und gleichzeitig hat sie einen klaren Plan. Sie wiederholt viel, aber sie zwingt einen nicht, an einen ganz bestimmten Punkt zu kommen. Es gefällt ihr zu suchen, zu überraschen, sie lässt die Szenen oft wiederholen, um zu sehen, was passiert. Sie weiß ganz genau, was sie ausdrücken will, und die Methode, das zu finden, besteht darin, sich die Zeit dafür zu nehmen.« Anna Castillo

MÄRCHENHAFTER REALISMUS

Was mit einer Zeitungsmeldung begann, endete mit einem Film, der bei seiner Premiere auf dem Miami Film Festival mit Standing Ovations gefeiert wurde und anschließend als erfolgreichster spanischer Film auf Platz 3 in den spanischen Kinocharts einstieg und sich dann über viele Woche in den Top Ten hielt. „Es war ein langer, aufregender Prozess, diese Geschichte zu erzählen“ sagt Paul Laverty, „zumal für mich als Ausländer in einer Kultur, die sehr verschieden ist von meiner. Das Klima und die Landschaft sind sehr anders. Aber es gibt eine Verbindung zum Land, die mich an meine Mutter und meinen Onkel erinnert, die in Irland auf dem Land, auf einem Bauernhof aufgewachsen sind. Ich habe viel mit den Bauern hier in Spanien geredet und festgestellt, dass es etwas gibt, was mir bei aller Verschiedenheit doch sehr nahe ist. Die Leute waren sehr geduldig mit mir, ich habe ihnen viel zu verdanken.“

„Wir wollten diesen Film ein bisschen wie ein Märchen erzählen“, sagt Icíar Bollaín. „Für Paul war diese Geschichte eine Metapher für viele Dinge. Nicht nur für das, was es bedeutet, einen solchen Olivenbaum herauszureißen, sondern auch dafür, wie wir damit umgehen, was Teil der Natur ist, Teil unserer Kultur, nicht einfach ein Gegenstand, den man kauft und verkauft. Wir wollten weder etwas sehr Dramatisches hinzufügen noch die Geschichte leichter machen – wir wollten die Geschichte mit einem gewissen Zauber erzählen.

Ich denke, wir haben dafür einen Ton gefunden. Der Film ist ein bisschen wie ein Märchen, aber mit einem realen Bezugspunkt: Eine Geschichte über das, was in unserem Land geschehen ist und geschieht. Und über das, von dem wir hoffen, dass es vielleicht in der Zukunft geschieht.“